Die Ärmsten der Armen
Am Schlimmsten haben es die alten Tiere in den Tierheimen. Sie haben es schwer, wieder ein Zuhause zu finden. Die meisten Interessenten oder Besucher "übersehen" sie einfach und begeistern sich für den süßen Welpen nebenan. Für ältere Hunde ist es sehr schwierig, mit Ihrer neuen Situation fertig zu werden. Manche waren ihr Leben lang noch nie im Zwinger und müssen nun plötzlich nach 10 oder 12 Jahren das warme, kuschelige Sofa gegen einen kalten, zugigen Zwinger eintauschen. Oft müssen Sie den Tod ihres Herrchens oder Frauchens überwinden.So wie der 12-jähriger Max, ein Labrador-Schnauzermischling. Sein verstorbenes Herrchen hatte durch falsch verstandene Tierliebe den Hund dick und fett gefüttert und ihn nur in den Hof gelassen, um seine Geschäfte zu erledigen. So hat Max nur in Hof und Haus gelebt. Er war sehr kurzatmig, hatte keine Kondition, keine Muskeln und kannte eigentlich nur schmusen und fressen. Ansonsten war Max körperlich und geistig fit und freute sich seines Lebens. Schnell genoss er es, Gassi zu gehen und entwickelte eine besondere Liebe zu Hundedamen. Und so bekam er auch langsam wieder Kondition.
Heute lebt Max ein wunderschönes Hunde-Rentnerleben in einer ganz lieben Familie. Er hat sogar in seinem Alter noch gelernt, sich mit einer Katze anzufreunden, die er am Anfang gar nicht so sympatisch fand. Inzwischen haben diese wunderbaren Leute, die bewußt ein altes, armes Tier aus dem Tierheim nahmen, noch ein Hundemädchen adoptiert.
Die wirtschaftliche Situation ist der weiterer Grund, warum immer mehr alte und kranke Tiere im Tierheim abgegeben oder sogar ausgesetzt werden. So wurde z.B. Topsy, ein Malteserrüde, drei Tage vor seinem elften Geburtstag bei uns abgegeben. Die Begründung lautete: arbeitslos und damit kein Geld mehr für den Hund, den man von klein auf hatte. Kann ja sein, aber abgesehen davon, dass der kleine Hund verfaulte, eitrige Zähne hatte, der Eiter ihm aus den Ohren lief und er vor Schmerzen ständig das Köpfchen von einer Seite auf die andere legte und sich die Krallen schon zu einem Kreis formten, war er auch noch so verfilzt, daß die Haut entzündet und gerötet war. Also ich denke, selbst wenn man kein Geld für den Tierarzt hat, kämmen kostet nichts!!!! Wir konnten in diesem Moment auch nicht sagen, was mehr gestunken hat: Die eitrigen Zähne oder der Hund, der nach kaltem Nikotin roch und dessen Fell total vergilbt war. Schon bald konnte Topsy wieder laufen und hatte keine Ohrenschmerzen mehr. Bis auf drei mußten alle Zähne gezogen werden, dafür hat er einen flotten Kurzhaarschnitt bekommen. Sein Fell war wieder blütenweiß. Er hat es uns gedankt, indem er pausenlos seiner Pflegemama hinterherlief und immer schmusen wollte.
Und auch Topsy hatte riesengrosses Glück. Zwei uns bekannte Frauen, die auch schon 2 alten Katzen (Angela und Nanette) von uns ein Zuhause gaben, haben von Tobys Schicksal gehört und ihn bei sich aufgenommen.
Trennung und Scheidung ist für manche Menschen auch ein Grund ihr Tier abzugeben. Deshalb kam das alte Schäferhundmädchen Dunja zu uns. Ein junger Mann kam ins Tierheim und erzählte uns, er müsse die 10-jährige Schäferhündin seines Vaters abgeben, da dieser sie aus familiären Gründen nicht mehr halten könne. Dies müsse jedoch nicht sofort sein. Ich sah, daß der Hund hochgradig Hüftgelenksdysplasie hatte. Sie konnte fast nicht mehr aufstehen und jaulte dabei vor Schmerzen. Der junge Mann war sofort einverstanden, als ich ihm sagte, er solle den Hund bitte vorher beim Tierarzt vorstellen. Der Tierarzt solle dann entscheiden, ob man der alten Dame einen Tierheimaufenthalt zumuten könne. Eine Woche später fand die Polizei Dunja herrenlos in Sinsheim herumlaufen und brachte sie zu uns ins Tierheim. Auch Wochen später hat sich aus der Familie keiner bei uns gemeldet, obwohl sie mittlerweile wußten, dass das Schäferhundmädchen, das sie im Alter von 5 Wochen bekommen hatten, bei uns im Zwinger saß. Dunja bekam starke Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente. Wir haben Anzeige wegen Aussetzens erstattet. Wir sind sehr gepannt, was aus der Anzeige wird.
Dann passierte das Unglaubliche: eine nette Familie aus Sinsheim, die erst vor kurzem ihre alte Schäferhündin, die genauso aussah wie Dunja, einschläfern lassen mußten, erfuhren im Internet von Dunja und entschieden sich, der armen Schäferhündin einen schönen Lebensabend zu geben. Heute geht es der Hündin prima. Sie hat durch regelmäßige Spaziergänge wieder Muskulatur in den Hinterbeinen bekommen und läuft dadurch viel besser. Die Medikamente, die sie immer bekommen muß, bezahlen wir. Wir sind sehr froh, dass das Tierheim nicht zur Entststation für Dunja wurde.
Dies sind nur 3 Einzelschicksale von alten Tieren im Tierheim. Für uns ist es immer wieder wie Weihnachten und Geburtstag zusammen, wenn ein altes Tier noch einmal ein Zuhause bekommt und es nicht heißt: Endstation Tierheim!!
(G. Strobel-Maus)